DANKE – wofür?

Eigentlich wollte ich einen Artikel über die Chance, die Corona uns bietet schreiben, aber bis unters Dach hörte ich das Aufstöhnen: Nicht noch einer damit.

Dennoch komme ich auf das Thema weiter unten zu sprechen, da mir viele Gedanken dazu durch den Kopf fliegen.

Jetzt wo der Schulbetrieb langsam wieder anfängt, möchte ich noch ein anderes Thema aufgreifen über das in den letzten Wochen auch viel geschrieben, diskutiert, gemeckert und gemault wurde. Es ging und geht dabei über die fehlende digitale Infrastruktur an Schulen, die Ausbildung der Lehrerinnen und Lehrer und das mangelhafte Home Schooling, da der Fernunterricht nicht so läuft, wie es sein sollte und könnte und noch vieles mehr.

Über diese ganzen Diskussionen wird vieles vergessen wofür

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gesagt werden sollte.

Danke an alle Kolleginnen und Kollegen, die ihre Schülerinnen und Schüler tatkräftig in dieser Zeit unterstützen, die sich in neue Unterrichtsformen einarbeiten bzw. ihre Erfahrungen, die sie in den Jahren davor gesammelt haben, über die sozialen Netzwerke, Webinaren etc. weitergeben.

Danke dafür, dass Sie für uns Eltern immer ein offenes Ohr haben und das sie noch mehr Zeit für die Schule aufwenden als normal, obwohl auch sie schulpflichtige Kinder, KiTa-Kinder und vielleicht auch erkrankte Familienmitglieder zuhause haben.

Ich spreche aus Erfahrung, meine Frau (Grundschullehrerin) hat neben diesen ganzen Aufgaben es geschafft mir besonders in den ersten zwei Wochen den Rücken freizuhalten, so dass ich nicht nur mit meinen Abschlussklassen weiterarbeiten konnte, sondern auch mit zwei Kollegen zusammen unser Kollegium in Teams einführen konnte. Ihr dafür ein ganz besonderes Danke von mir.

Es mag jetzt vielleicht für den einen oder anderen überraschend gewesen sein, dass auch Lehrerinnen und Lehrer Menschen sind, die Familien haben. Möglicherweise genauso überraschend, wie die Tatsache das ihre Kinder Zeit brauchen.

Wir haben die gleichen Probleme, Diskussionen und Situationen beim Home Schooling wie alle anderen Familien auch. Dinge, die sonst in kürzerer Zeit zu erledigen sind, dehnen sich auf einmal auf Stunden aus. Es muss sich immer wieder neu hineingedacht werden, wie dieser Artikel, da sitze ich nun schon länger dran als sonst.

Und Ja, es gibt auch, wie überall, schwarze Schafe, die kaum etwas für ihre Klassen tun, aber der größte Teil der Lehrerinnen und Lehrer machen und geben alles für ihre Klassen und ihren Beruf, bis über ihre Belastungsgrenzen hinaus.

Dabei waren viele von ihnen schon vor Corona an ihren Grenzen angelangt.

Ich kenne Kolleginnen und Kollegen, die mit über 60 Jahren anfangen Erklärfilme zu drehen oder führen Videokonferenzen mit ihren Klassen durch. Es sind also nicht nur die Jungen, die nun digital voranschreiten.

Alle telefonieren, schreiben sich mit ihren Klassen und den Eltern damit sich keiner allein fühlt. Sie bringen, holen und korrigieren die Aufgaben, damit sich bekanntes festigt und Neues dazu kommt.

Darum noch mal:

Dieses Foto” von Unbekannter Autor ist lizenziert gemäß CC BY

Ein weiteres Danke geht, leider, an Corona!

Ein großes Scha(n)de geht an uns, dass es wirklich Krisen braucht um Dinge in Gang zu setzten und zu verändern.

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Es ist schon viel zu den Chancen die Corona uns bietet geschrieben worden und jeden Tag kommt etwas hinzu.

Das ist auch OK so, denn jeder hat seinen eigenen Blickwinkel auf dieses Thema.

Corona hat uns gezeigt, wo es überall hakt, sei es in der Wirtschaft, dass zu viel im Ausland produziert wird und auch bei der Digitalisierung. Die betrifft nicht nur die Schulen, sondern auch andere Bereiche, z.B. bei den Gesundheitsämtern, die vielerorts noch Faxe einsetzen.

Für meinen Blickwinkel werde ich etwas in der Zeit zurückgehen, und zwar zur Mitte der 1980iger Jahre. Genau ich bin schon ein älteres Modell.

In dieser Zeit war gerade der Commodore C64, liebevoll der Brotkasten genannt, groß im Rennen und der erste Computer, der mit seiner Datasette, in vielen Haushalten Einzug hielt. In unserer Computer AG lernten wir in Basic programmieren und bauten uns kabelgebundene Computerstifte mit denen wir, mithilfe eines selbstgeschriebenen Programms, auf den Röhrenmonitoren malen und schreiben konnten.

Es war ein richtiger Hype. Unser Lehrer sagte voraus, dass wir bis zum Abi Dank der Computertechnik zuhause unterrichtet werden. Das war ca. drei Jahre vor unserem Abitur und Spoiler ?:

Ich warte immer noch darauf.

Computer und alles was damit zusammenhängt, ist seitdem ein Hobby von mir, beruflich ging ich einen anderen Weg.

Vor 11 Jahren bin ich als Seiteneinsteiger an meine Schule, mit ihren PC-Räumen und der 16 Kbit/s Internetverbindung, gekommen. Aus der Firma, an der ich vorher war, kannte ich das zwischen den Abteilungen und den Kunden mit E-Mail und Videokonferenzen kommuniziert wurde und Berichte und Entwicklungen digital erstellt und bearbeitet wurden.

Als ein Kollege und ich mit Moodle anfingen, sollte WLAN kommen, damit wir wirklich damit arbeiten können. Die Zeit verging.

Als dann Teams herauskam, stiegen wir darauf um, auch ohne WLAN. Hier behelfen wir uns halt selbst. Im letzten Jahr hat endlich der WLAN-Ausbau begonnen.

Aus meiner Sicht fiel mir von Anfang an auf, dass privat die meisten von uns besser ausgestattet sind und schnelles Internet nutzen. Je nach Schule 8- bis 30-fach schneller.

Dabei sind Grundschulen teilweise wesentlich besser ausgerüstet als die berufsbildenden Schulen und Berufskollegs, die die Schülerinnen und Schüler eben auch auf diesem Gebiet ausbilden sollen, da in den Betrieben z.B. Office-Programme, Kollaborationstools wie Slack oder Teams täglich genutzt werden.

Der sehr langsame Ausbau von flächendeckendem WLAN an den Schulen liegt nicht unbedingt an den Schulleitungen, sondern oft auch an den Stellen darüber. Außerdem fehlt uns Lehrerinnen und Lehrern oft der Überblick darüber warum die Anschaffung von Maschinen und anderen Dingen eine höhere Priorität bekommen als die dringend benötigte Erneuerung der PC’s und Beamer.

Hier ein Beispiel von mir, wie wir damit umgehen.

Vor einigen Jahren habe ich einen Bildungsgang übernommen und nachdem ich mich eingearbeitet hatte, bin ich dran gegangen meinen Bildungsgang umzugestalten und weiter zu entwickeln.

Seit ein paar Jahren werde ich dabei von einem neuen Kollegen tatkräftig unterstützt und wir haben etwas gefunden, was unseren Unterricht noch schülerzentrierter und projektorientierter zu gestalten. Wir nutzen dazu Teams und das OneNote-Kursbuch, haben viel experimentiert und Feedback unserer Schüler erhalten. Wir haben vieles umgestellt und im Grunde warten wir nur noch auf WLAN, um unsere Version richtig umzusetzen.

Durch Corona konnten wir jetzt schon weitere Dinge umsetzen, die wir für nächstes Schuljahr uns überlegt hatten. Fernunterricht per Teams und Videokonferenzen. Unterricht aufzeichnen, so dass jeder sich die Inhalte immer wieder anschauen kann. Das alles konnten wir jetzt schon testen und durch das Feedback unserer Klassen können wir jetzt schon Veränderungen machen und uns verbessern.

Unser Beispiel ist nur eines von vielen an Schulen in ganz Deutschland. Jede Schule setzten ihre Ideen und Versionen im Rahmen ihrer Möglichkeiten um. Dies machen sie schon seit Jahren mit ihrer ganzen Kraft und Energie, erleben Rückschläge und machen dennoch immer weiter. Sie sehen, wie sich ihre Ideen doch Realität werden. Auch wenn die Geschwindigkeit der Umsetzung jede Schnecke zur Rennschnecke werden lässt.

Danke für euer Durchhaltevermögen!

Jetzt werden viele dieser großartigen Dinge schneller umgesetzt und Neue angefangen.

Aber diese Krise ist für mich wie ein Nachbrenner.

Irgendwann geht dem die Puste aus und dann liegt es an uns, ob wir den Schwung mitnehmen können oder plötzlich abbremsen und sogar wieder zurückfallen.

Hier stehen der Bund, die Länder und Kommunen in der Verantwortung. Die Landesdatenschutzbeauftragten sollen endlich klar klären, was genutzt werden kann. Einmal wird Microsoft und Google sogar empfohlen und ein paar Stunden später werden diese Empfehlungen wieder zurückgenommen.

Microsoft hat inzwischen Server in Berlin und Frankfurt stehen, worauf neue Nutzer schon zugreifen. Bei den anderen Anbietern weiß ich es nicht, aber ich gehe davon aus, dass dort ähnliches gibt oder in Planung ist.

Hier sollten die Datenschutzbeauftragten bei Microsoft und den anderen Anbietern daraufhin wirken, dass Bildungseinrichtungen als Bestandskunden schon jetzt auf diese Server umziehen können. Somit blieben alle Daten in Deutschland.

Dann wäre doch alles von der DSVGO und den Forderungen der Datenschutzbeauftragten erfüllt oder nicht?

Unser Admin von Teams kann sehen, wo die Daten gespeichert sind und bei uns stehen die Server in Deutschland. Er hatte mir dies letzte Woche gezeigt.

Was, meiner Meinung nach, noch wichtiger ist, ist der Ausbau der Infrastruktur für flächendeckendes WLAN. Nicht nur in den Schulen, sondern in ganz Deutschland.

„Internet auch im Wald“, einen Slogan, den ein Schulleiter aus Estland auf dem Digital Education Day 2019 in Köln wiedergab. Hier muss sich vor allem in den ländlichen Gebieten etwas tun und nicht weiter heraus gezögert werden. Bis Ende 2021 sollte der größte Teil des Landes mit schnellem Internet verbunden sein, am besten das ganze Land.

Es mag kurz klingen, aber wir hatten ja nur ein paar Jahrzehnte Zeit.

Auch die Sonderleistung für benachteiligte Kinder zum Kauf von Notebooks oder Tablets ist ein guter Anfang, aber dafür ist kein solides Gerät zu bekommen, dass einige Jahre nutzbar ist und auch gebraucht liegen solche Geräte über diesen Preis. Vorzugsweise sind solche Geräte mit einem Stift zu bedienen und eine anschließbare Tastatur. Da bewegen wir uns dann in Regionen von 300 – 400 €.

Möglich wäre auch ein Aushandeln von Rabatten, um die Preise weiter zu senken oder auch Sponsoring von ortsansässigen Firmen. Letztlich kommt es den Firmen dann auch zugute, da sie dann Mitarbeiter bekommen, die mit solchen Geräten und Apps schon gut umzugehen wissen. Abgesehen vom Marketing-Effekt.

So etwas wird oft schon umgesetzt.

An die Elternbeiräte, Eltern und andere, die nach fünf Wochen beanstandeten, dass es immer noch nicht mit dem Fernunterricht funktioniere: Auch sie müssten inzwischen gemerkt das Deutschland ein absolutes Entwicklungsland in Sachen Digitalisierung ist!

Niemand schafft es innerhalb von wenigen Wochen ein tragfähiges digitales Konzept aus dem Boden stampfen, dass zu seiner Schule und den Schülerinnen und Schülern passt und sofort anwenden, um die digitale Transformation zu vollführen. Dazu braucht es Zeit, denn digitales lernen ist anders als analoges lernen, es braucht eine digitale Didaktik. Denn digitale Tools kann ich nicht eins zu eins als Ersatz für ein analoges Tool einsetzen. Nietzsche stellte fest, als er statt mit Hand seine Briefe mit der neuen Schreibmaschine schrieb, dass diese sein Denken veränderte [aus: Routenplaner #digitale Bildung, Pos. 1817]. Das heißt einfach ein Arbeitsblatt zu digitalisieren ist noch kein digitales Lernen, hier müssen die Möglichkeiten des digitalen mit einfließen, z.B. die Internetrecherche. André Nünninghoff drückte es mal in einer Folge seines Podcast „Paperless Pioneers“ so aus: „Wenn man einen scheiß analogen Prozess digitalisiert, hat man einen scheiß digitalen Prozess.“

Wir brauchen Zeit, nicht unendlich viel Zeit, aber genug um ein solides, tragfähiges Fundament zu schaffen auf dem wir weiter aufbauen.

An meine Kolleginnen und Kollegen gerichtet: Verabschiedet euch von Gedanken, dass nach Corona die Schule wieder so sein wird wie davor. Interessant ist auch der Artikel „Ein System wankt“ erschienen auf Zeit.de.

Die Zeit und Energie, die wir jetzt investieren, damit digitaler Unterricht, ob fern oder Vorort, richtig funktioniert, kommt allen zu Gute und wirkt sich hoffentlich schnell auch auf unsere Gesundheit aus.

Bleibt gesund!